Mit dem Zug unterwegs – Teil 1: Myanmar

Ob mit Bus, Boot, Bahn, Roller, Fahrrad oder zu Fuß: Wenn wir auf Reisen sind, nutzen wir die unterschiedlichsten Fortbewegungsmittel. Meine liebste Art unterwegs zu sein ist mit dem Zug. Einfach einsteigen und an einem anderen Ort entspannt aufwachen. Mit Menschen ins Gespräch kommen, Karten spielen und Proviant teilen. Den Gedanken nachhängen, Reiseerlebnisse verarbeiten. Das alles macht für mich den Reiz vom Zugfahren aus. In meiner Serie Zugreisen berichte ich euch von spektakulären, fröhlichen, anstrengenden und unerwarteten Zugfahrten. Teil I heute: Myanmar

Es war ein ganz heißer Tipp von Daria aus Tschechien, die ich im Kloster bei Mawlamyine traf: „Du willst nach Dawei? Dann nimm den Zug! 2. Klasse-Ticket! Ein Abenteuer, du wirst es lieben!“ Vier Tage später stehe ich also um 4.30 Uhr am Bahnhof von Mawlamyine und bin stolze Besitzerin eines 2. Klasse-Tickets. Allerdings erst nach längerer Diskussion mit dem Verkäufer, der meinte, dass die 1. Klasse für mich als Ausländerin besser geeignet wäre.

Unterwegs mit dem Zug

Langsam fährt der Zug ein. Lebensmittel werden in den hinteren Teil geladen, während die Passagiere in die vorderen Wagen einsteigen. Ich setze mich auf eine der Holzbänke (in der 1. Klasse gäbe es Sessel). Um mich herum: eine Gruppe Mönche, Familien, alleinreisende Burmesen mit großen Koffern und kleinen Stoffbeuteln. 15 Stunden Fahrt liegen vor uns. Langsam fährt der Zug aus dem Bahnhof raus. Und langsam fährt er weiter. Zugfahren in Myanmar heißt Entschleunigen und das gilt für die Zugfahrt von Mawlamyine nach Dawei ganz besonders: Sie gilt als die langsamste im ganzen Land.

In den vorderen Wagen finden die Menschen Platz
Verladen der Waren im hinteren Teil des Zuges

Und so bahnt sich der Zug gemütlich seinen Weg durch die Landschaft, am Wegesrand tauchen Bambushütten auf, Reis- und Maisfelder, Pagoden. Ich lese, bestaune die vorbeiziehende Landschaft, überlege, was ich in Dawei unternehmen könnte. Ich bin kurz vor dem Einschlafen, als der Zug plötzlich hält und geschäftiges Treiben ausbricht. Meine Sitznachbarn nehmen ihre Taschen und bedeuten mir, ihnen zu folgen. Auf dem gegenüberliegenden Gleis steht ein weiterer Zug, in den wir nun einsteigen. Von dem Zugwechsel hatte mir Daria nichts erzählt. Und auch nicht von der Waggonausstattung: Statt Holzmobiliar gibt es in der Mitte eine Metallbank. Und die ist schon gut gefüllt. Als ich einsteige, rutschen die Frauen auf der Bank zusammen und nehmen mich in ihre Mitte. „Jaizutimbade“ bedanke ich mich. Damit sind meine Kenntnisse des Burmesischen erschöpft und wir lächeln uns stattdessen zu.

In der Metall-Klasse

Der Waggon hat statt Fenster und Tür nur eine Türöffnung, durch die ich den vorbeifliegenden Regenwald betrachte. Irgendwann fängt es an zu regnen. Bald gehen die einzelnen Tropfen in Dauerregen über. Wir sind hier tief im Süden, wo Mitte Juli schon die Regenzeit angekommen ist. Wir rutschen enger zusammen, denn der Regen bahnt sich seinen Weg durch die Türöffnung. Ich ziehe meine Regenjacke an. Urwüchsiger Dschungel hat inzwischen die Felder abgelöst. Der Zug fährt gemächlich durch das grüne Dickicht, Äste schleifen quietschend über das Metall des Waggons. Das Schienennetz verbindet wichtige Knotenpunkte des Landes und ist noch heute das beliebteste Fortbewegungsmittel für die Einheimischen – und das günstigste. Die Fahrt von Mawlamyine nach Dawei hat umgerechnet nur ca. 5 € gekostet. Wir halten an kleinen und großen Bahnhöfen, Menschen steigen aus und ein, Frauen mit Getränken und Leckereien kommen an den Zug und bieten ihre Waren an, die sie auf einer Art Tablett auf dem Kopf balancieren. Zur Mittagszeit machen wir einen längeren Halt. Am Bahnhof gibt es einen Holzunterstand wo Reis, Huhn und Gemüse angeboten wird. Zum Nachtisch gibt es Bananen.

Straßenstand am Bahnhof
Blick aus dem Fenster

Im Zug herrscht geschäftiges Treiben, die Menschen unterhalten sich fröhlich und versuchen dabei, das monotone Rattern des Zuges zu übertönen. Später legt sich die Dunkelheit über den Regenwald, der Regen trommelt weiterhin auf das Dach. Wir sind jetzt 12 Stunden unterwegs, die Fahrt wird lang. Auf den Gesichtern der Mitreisenden spiegelt sich meine Müdigkeit. Aber Einschlafen kann ich auf der Metallbank nicht. Stattdessen stelle ich mir vor, worüber sich die Menschen unterhalten. Irgendwann stehe ich an der Tür, schaue auf die tiefschwarze Dunkelheit. „Dawei“, sagt plötzlich der Mann neben mir und deutet mit der Hand auf die blinkenden Lichter in der Ferne. Es ist 19.30 Uhr, als wir nach 15 Stunden und über 300 Kilometern in Dawei ankommen. Ich bin zwar müde, aber froh, Darias Tipp gefolgt zu sein. Geschäftiges Treiben am Bahnhof und im Zug, fröhliches Geschnatter der Burmesen, vielfältige Landschaften – ich habe heute einen authentischen Einblick in den burmesischen Alltag erhalten.

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