Es blinkt und glitzert in den Fenstern und auf den Straßen, Tannenbäume schmücken die Wohnzimmer und die allseits beliebten und das ganze Jahr über beliebten Spekulatius-Kekse nehmen für einige Wochen die Gestalt des Weihnachtsmannes an. Ja, Weihnachten wird auch in Belgien gefeiert, und das mit viel Hingabe. Doch wer nun denkt, ist ja alles wie in Deutschland, der sei gewarnt. Denn die Unterschiede liegen im Detail.
24 schokoladige Türchen bis Weihnachten
Erster Dezember: Neulich in einer deutschen Kleinstadt: Die größte Auswahl an Adventskalendern, über 300 verschiedene Modelle, las ich dort in einem Schaufenster. Meine Neugier war geweckt und hinter der Tür erwartete mich tatsächlich in jeder Ecke ein anderer Adventskalender: mit Schokolade, mit Briefen, mit Bildchen, mit Sprüchen, mit Rezepten, mit Liedern, mit Basteltipps, mit Tee, mit Gewürzen. Kurz gesagt, ich war mal wieder über die erfinderische deutsche Weihnachtsindustrie überrascht, die sich jedes Jahr noch etwas Neues einfallen lässt. Ich nutzte die Gelegenheit und kaufte verschiedene Modelle zum Verschenken.
Denn was in Deutschland gang und gäbe ist, nämlich Freunde und Verwandte am 1. Dezember mit einem Adventskalender zu überraschen – egal ob groß oder klein –, findet in unserem Nachbarland in einem viel kleineren Rahmen statt. Adventskalender findet man hier typischerweise mit Schokolade gefüllt im Supermarkt. Sie sind Kindern vorbehalten, weshalb mein Teeadventskalender regelmäßig Erstaunen bei den Erwachsenen hervorruft. In unserer WG gibt es übrigens noch einen Kalender. Als ich meinen Mitbewohnern im November von den Kalendern erzählte, die ich für Freunde in Deutschland plante, schlugen sie vor, einen WG-Kalender zu gestalten. Sie mögen die Idee, Freunde mit kleinen Aufmerksamkeiten im Advent zu bedenken. Aber jedes Jahr… das ist vielleicht auf Dauer doch etwas viel Aufwand.
Die Plätzchendosen-Suche
Erster Advent: Zwei Freundinnen aus Deutschland kommen zu Besuch. Mit im Gepäck: Rezepte und Zutaten für unsere Lieblingsplätzchen. Am nächsten Abend ist es so weit: Es werden Haselnüsse gehackt, Mehl, Butter, Zucker und Eier vermischt, Plätzchenteig ausgerollt und in liebevoller Kleinarbeit ein Plätzchen nach dem anderen ausgestochen und vorsichtig auf dem Backblech verteilt. Als meine Mitbewohner wenig später vom Duft angelockt in die Küche kommen, sind sie begeistert und bieten sich als Testesser an. Sie sind überrascht zu hören, dass wir in Deutschland in der Vorweihnachtszeit Berge von Plätzchen backen, so viele unterschiedliche Sorten wie möglich. Eine solche Tradition ist in Belgien nicht bekannt.
Eine Woche später: Alle Plätzchen sind verschwunden. Nur eine Handvoll konnte ich noch retten. Diese möchte ich einer Freundin in Kanada schicken – wie jedes Jahr in einer Weihnachtsdose verpackt. Ich mache mich also auf die Suche. Läden, die Einrichtungsgegenstände und Küchenutensilien führen, denke ich mir, sollten auch Plätzchendosen mit weihnachtlichem Motiv im Angebot haben. Im ersten Laden gibt es viel hübsches weihnachtliches Geschenkpapier und Schleifen. Von Plätzchendosen keine Spur. Im zweiten Laden finde ich immerhin Blechdosen, allerdings sind sie für die Aufbewahrung von Schmuck bzw. Tee gedacht und können nicht zur Plätzchendose umfunktioniert werden. Im dritten Laden gebe ich auf und kaufe eine normale Plastikbox zur Aufbewahrung von Lebensmitteln.
Am Abend erzähle ich meiner Mitbewohnerin von meiner Odyssee. Beim Stichwort Plätzchendose fallen ihr nur die Dosen aus dem Supermarkt ein, die bereits mit Keksen gefüllt sind und normalerweise keine weihnachtlichen Motive haben. Eigentlich hätte ich es mir denken können: Wo es keine große Plätzchentradition gibt, wird es auch keine Auswahl an Plätzchendosen geben. Ein wenig enttäuscht bin ich trotzdem, denn Plätzchen ohne schöne Dose ist für mich wie Weihnachten ohne Schnee. Nett, aber irgendetwas fehlt. Meine Mitbewohnerin bemerkt meine Enttäuschung. Diese dänischen Kekse übrigens, die mag sie wirklich gerne, erzählt sie mir und holt eine halbleere Dose aus dem Schrank. Ich muss lachen und wir machen einen Deal: Im nächsten Jahr kaufe ich frühzeitig Dosen mit Keksen, überlasse ihr den Inhalt und verziere sie mit Weihnachtsmotiven, bevor ich sie mit selbstgemachten Plätzchen in die Welt verschicke.
Weihnachtsbäume im Advent
Erster Weihnachtstag: Seit gestern schmücken Tannenbäume die deutschen Wohnzimmer. Wochenlang wurde überlegt, ob es in diesem Jahr Nordmann, Blau-Fichte oder Edel-Tanne sein soll, wurden die Bäume auf der Schonung sorgfältig von allen Seiten geprüft, bevor man sich nach eingehender Beratung mit der gesamten Familie für den diesjährigen Tannenbaum entschied. Nun verströmt er seinen harzigen Duft, während am Esstisch gegenüber einträchtig die Weihnachtsgans verspeist wird. In Belgien haben wir den Tannenbaum schon vor zwei Wochen aufgestellt. So hat man schließlich mehr davon, höre ich vielfach aus meinem Bekanntenkreis.
Das Aussuchen des Baums in winterlicher Kälte haben wir uns gespart: Unseren Baum mussten wir nur aus der großen Box mit der Weihnachtsdeko im Keller holen. Denn auch wenn es in Belgien echte Tannen gibt, weit verbreitet sind Plastikbäume. Das erste Mal in meinem Leben stecke ich also künstliche Zweige zusammen, bis die kleine Tanne vor mir steht. Die übrigens gleich beim ersten Anlauf gerade steht und nicht regelmäßig gewässert werden muss. Als Nächstes wird die Lichterkette angebracht. Diese hat nicht weniger als acht Möglichkeiten, im Glanz zu erstrahlen: von ruhigem Ein- und Ausblenden bis penetrantem Blinken ist alles dabei. Als Letztes wird der Schmuck angebracht, der vor allem aus Kugeln besteht. Den Farben sind keine Grenzen gesetzt; in diesem Jahr ist vor allem Altrosa im Trend. Zu meiner Erleichterung entscheiden wir uns einstimmig für die klassischen roten Kugeln. Mit dem Plastikbaum kann ich mich vielleicht noch anfreunden, aber altrosa, das ist nun wirklich zu modern!
Es wäre übrigens ein Fauxpas, den Weihnachtsbaum vor dem 6.12. aufzustellen. Der Nikolaustag ist in Belgien noch wichtiger als Weihnachten. Es ist ebenfalls ein Fest, an dem die Familie zusammenkommt und sich beschenkt – und das Beste ist, dass man die Feier auf jeden beliebigen Tag um Nikolaus legen kann. Erst wenn Nikolaus vorbei ist, beginnt die Vorweihnachtszeit und die Läden füllen sich mit Weihnachtsartikeln.