Im 2. Teil geht es mit dem Indian Pacific-Zug durchs Outback vorbei an neugierigen Kängurus, durch schläfrige Städtchen und endlose Weiten.
In Australien fahre ich in 24 Stunden von Adelaide bis Sydney. Ich gebe es zu: Die drei Tage von Perth bis Sydney habe ich mich nicht getraut. So lange im Zug? Trotz meiner Begeisterung für Zugfahrten konnte ich mir das nur schwer vorstellen. Also nur den letzten Teil der Strecke von Adelaide nach Sydney. Ich bin früh am Parklands Terminal und checke mein Gepäck ein. Im Wartebereich spielt jemand Gitarre und singt dazu. Schnaufend fährt der Zug ins Bahngleis.
Als ich einsteige, bin ich überrascht: In der günstigsten Reiseklasse – Sitzwagen – sind nur wenige Backpacker. Stattdessen: Westaustralier, die seit Beginn der Reise in Perth im Zug sind. Und das nicht zum ersten Mal. Für sie ist der Zug das günstigste Verkehrsmittel, um die gut 4.350 Kilometer zu bewältigen – und damit oft die einzige Möglichkeit, ihre Familien auf der anderen Seite des Kontinents zu besuchen.
Gegen Mittag halten wir in Broken Hill, einer Bergbausiedlung mit rund 18.000 Einwohnern. Wir haben eine gute Stunde Aufenthalt und können uns die Beine vertreten. Ich schlendere durch die Straßen, vorbei an denkmalgeschützten Häusern, die von der Hochphase des Silber- und Erzabbaus im 19. und 20. Jahrhundert zeugen. Auch wenn in einigen Minen immer noch Erz abgebaut wird, der Boom ist vorbei. Ich erlebe ein schläfriges Städtchen, die Läden haben Mittagspause und die Straßen sind in der Mittagshitze wie leergefegt. Nur der Supermarkt hat geöffnet. Ich sehe einige bekannte Gesichter aus dem Zug wieder: Die Möglichkeit den Reiseproviant aufzufüllen, lässt sich keiner nehmen.
Am Nachmittag geht es weiter durch das rote Land. Immer wieder tauchen vor dem Fenster Kängurus auf. Ich lese, beobachte die Tierwelt draußen, spiele mit der chinesischen Familie neben mir Karten. Am Abend teste ich die Cafeteria: Für 14,50 $ gibt es ein leckeres Curry. Gratis dazu: der spektakuläre Sonnenuntergang über dem Outback.
Ich schlafe gut in meinem Sessel. Als ich aufwache, fahren wir schon an den ersten Vororten von Sydney vorbei. Gegen Mittag kommen wir an der Central Station von Sydney an. Und ich merke, dass ich auf dieser Fahrt einen großen Fehler gemacht habe: nicht die ganze Strecke von Perth gefahren zu sein. Die faszinierende rot-braune Landschaft des Outback, die unendliche Weite, in der über Stunden kein anderes Zeichen von Menschen zu sehen war als der Zug, das gleichmäßige Rattern und Schaukeln haben den Zug für mich zu einem Mini-Kosmos werden lassen, in dem die Zeit stehen geblieben ist. Zeit, die ich zum Nachdenken, Verarbeiten von Reiseerlebnissen, Gesprächen mit Mitreisenden und Vor-Mich-Hinträumen genutzt habe. Zeit zum Innehalten, bevor mich in Sydney wieder der Trubel der Welt empfing.